Schicksale vertriebener Frauen - Kapitel 4{3}

Deportation und Lager
Herkunftsorte n Transport n Überleben im Lager
n
Zwangsarbeit n Entlassung

   
 

 

Überleben und Sterben in den Lagern

Die Überlebens- und Arbeitsbedingungen in den Lagern waren äußerst hart. Jahrelang wurden die deportierten Frauen - bei völlig unzureichender Ernährung und Kleidung, schlechter Unterbringung und katastrophalen hygienischen Zuständen - zu schwerster körperlicher Arbeit eingesetzt. Hunger und Schwäche (Dystrophie) und besonders die Typhusepidemien forderten, vor allem im ersten Jahr nach der Ankunft in den Lagern, viele Todesopfer.

Unterernährung, Typhus und Ruhr wurden von den befragten Frauen als die vorherrschenden Krankheiten und Todesursachen bezeichnet. Diese Häufung wird im Diagramm D 11, das einen Überblick über sämtliche genannten Krankheiten gibt, deutlich.

Diagramm D 11:
Krankheiten im Lager
 

Nach den Aussagen der befragten Frauen starben täglich bis zu ca. 30 Personen: „Im ersten Halbjahr täglich 20 bis 30 Tote, dann hörte das große Sterben [an Typhus und Ruhr] auf.“ Für einige Lager wird eine noch höhere Zahl von „täglich 60 Frauen und 120 Männern“ genannt. Die Gesamtzahl der Opfer kann nur geschätzt werden. Nach den Aussagen der Frauen variierte sie je nach Beschaffenheit der Lager und Anzahl der Insassen zwischen zehn und 70 Prozent: „120 [Personen] im ersten Monat von ungefähr 1000 Verschleppten“; „Im Ganzen waren 2.000 Menschen in unserem Lager. Fast die Hälfte hat man auf den Friedhof getragen“; „Ca. 70 Prozent der Insassen“; „Von 12.000 sind 8.000 gestorben“.

Unterkunft, Ernährung, Hygiene und medizinische Versorgung

Die Unterkünfte der Deportierten waren äußerst primitiv:

„Das Lager waren ca. 15 Baracken, d.h. in die Erde gebahnte lange Gänge mit Doppelpritschen für etwa 100 Personen.“
„Eine Erdbaracke für alle zum Schlafen. [Das] Doppelbett bestand nur aus blanken Holzbrettern.“
„Es war sehr schwer. Wir füllten uns Stroh vom Kolchos in Strohsäcke, [denn] es war sehr kalt.“

Nach außen hin waren die Lager streng abgeschirmt; die Deportierten fühlten sich wie Sträflinge:

„Das Lager war mit Stacheldraht und Posten mit Waffen umgeben“.
„Wir waren unter strenger russischer Aufsicht“.
„Wir wurden gequält, aber nicht geschlagen“.
„Wir wurden zur Arbeit angetrieben“.
„Wir wurden nicht schikaniert, mussten aber weit über unsere Kraft arbeiten“.
„Wenn man das Soll erfüllte, war [die Behandlung] erträglich“.

Die Verpflegung in den Lagern bezeichnen die Frauen übereinstimmend als einseitig, unzureichend und schlecht. Dazu einige Beispiele aus den Textpassagen:

„Ein Kastenbrot für zehn Personen, dünne Wasser-Krautsuppe, Eichelsuppe“.
„Ein Stückchen trockenes Brot und dünne Suppe, sonst nichts“.
„Täglich 300 Gramm feuchtes Brot, ohne Belag, Tee mit Chlor, mittags, abends verdorbene Mehlsuppe“.
„Zweimal täglich 200 Gramm Brotsuppe mit Kartoffelschalen, mittags eine Kelle Hirsebrei“.
„Fünf Jahre [lang] dreimal täglich ein Teller Kohlsuppe und eine Scheibe Brot“.
„[Das Essen war]der Zeit gemäß. Die Russen haben selber auch nichts gehabt.“

Manche Frauen erzählen, dass sie, um zu überleben, zusätzlich Baumwurzeln, Brennnesseln, Sauerampfer und Kräuter gegessen haben.

Die hygienischen Zustände erschwerten den deportierten Frauen ihre ohnehin kaum erträglichen Lebens- und Arbeitsbedingungen noch weiter. Wasser zum Waschen und Seife waren sehr knapp; in manchen Lagern gab es überhaupt keine Waschgelegenheiten. Anstelle von Aborten benutzte man ausgehobene Gruben oder Erdlöcher im Freien. Ganz besonders litten die Frauen unter Ungeziefer (wie Läuse, Flöhe, Wanzen und Ratten), das sie vergeblich bekämpften. Vielen Frauen wurden die Köpfe geschoren.

Kranke und Verletzte konnten nur notdürftig versorgt werden. Als krank galt, wer hohes Fieber hatte. Die Krankenstationen waren, falls vorhanden, stets überfüllt. Es gab nur wenige russische Ärzte und Schwestern. Ihre Arbeitsweise wird von den befragten Frauen unterschiedlich beurteilt. Manchmal heißt es, sie hätten sich sehr bemüht, aber nur selten Medikamente zur Verfügung gehabt. Aus einem Lager wird berichtet, dass alle Frauen im Turnus von drei Monaten Spritzen bekommen hätten. „Wir wussten nicht für was. Aber keine [von uns] hat mehr ihre Periode bekommen.“

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