Überleben
und Sterben in den Lagern
Die
Überlebens- und Arbeitsbedingungen in den Lagern waren
äußerst hart. Jahrelang wurden die deportierten Frauen
- bei völlig unzureichender Ernährung und Kleidung,
schlechter Unterbringung und katastrophalen hygienischen Zuständen
- zu schwerster körperlicher Arbeit eingesetzt. Hunger
und Schwäche (Dystrophie) und besonders die Typhusepidemien
forderten, vor allem im ersten Jahr nach der Ankunft in den
Lagern, viele Todesopfer.
Unterernährung,
Typhus und Ruhr wurden von den befragten Frauen als die vorherrschenden
Krankheiten und Todesursachen bezeichnet. Diese Häufung
wird im Diagramm D 11, das einen Überblick über sämtliche
genannten Krankheiten gibt, deutlich.
Diagramm
D 11:
Krankheiten im Lager
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Nach
den Aussagen der befragten Frauen starben täglich bis zu
ca. 30 Personen: Im ersten Halbjahr täglich 20 bis
30 Tote, dann hörte das große Sterben [an Typhus und
Ruhr] auf. Für einige Lager wird eine noch höhere
Zahl von täglich 60 Frauen und 120 Männern
genannt. Die Gesamtzahl der Opfer kann nur geschätzt werden.
Nach den Aussagen der Frauen variierte sie je nach Beschaffenheit
der Lager und Anzahl der Insassen zwischen zehn und 70 Prozent:
120 [Personen] im ersten Monat von ungefähr 1000 Verschleppten;
Im Ganzen waren 2.000 Menschen in unserem Lager. Fast die
Hälfte hat man auf den Friedhof getragen; Ca.
70 Prozent der Insassen; Von 12.000 sind 8.000 gestorben.
Unterkunft,
Ernährung, Hygiene und medizinische Versorgung
Die
Unterkünfte der Deportierten waren äußerst primitiv:
Das
Lager waren ca. 15 Baracken, d.h. in die Erde gebahnte lange
Gänge mit Doppelpritschen für etwa 100 Personen.
Eine Erdbaracke für alle zum Schlafen. [Das] Doppelbett
bestand nur aus blanken Holzbrettern.
Es war sehr schwer. Wir füllten uns Stroh vom Kolchos
in Strohsäcke, [denn] es war sehr kalt.
Nach
außen hin waren die Lager streng abgeschirmt; die Deportierten
fühlten sich wie Sträflinge:
Das
Lager war mit Stacheldraht und Posten mit Waffen umgeben.
Wir waren unter strenger russischer Aufsicht.
Wir wurden gequält, aber nicht geschlagen.
Wir wurden zur Arbeit angetrieben.
Wir wurden nicht schikaniert, mussten aber weit über
unsere Kraft arbeiten.
Wenn man das Soll erfüllte, war [die Behandlung]
erträglich.
Die
Verpflegung in den Lagern bezeichnen die Frauen übereinstimmend
als einseitig, unzureichend und schlecht. Dazu einige Beispiele
aus den Textpassagen:
Ein
Kastenbrot für zehn Personen, dünne Wasser-Krautsuppe,
Eichelsuppe.
Ein Stückchen trockenes Brot und dünne Suppe,
sonst nichts.
Täglich 300 Gramm feuchtes Brot, ohne Belag, Tee
mit Chlor, mittags, abends verdorbene Mehlsuppe.
Zweimal täglich 200 Gramm Brotsuppe mit Kartoffelschalen,
mittags eine Kelle Hirsebrei.
Fünf Jahre [lang] dreimal täglich ein Teller
Kohlsuppe und eine Scheibe Brot.
[Das Essen war]der Zeit gemäß. Die Russen haben
selber auch nichts gehabt.
Manche
Frauen erzählen, dass sie, um zu überleben, zusätzlich
Baumwurzeln, Brennnesseln, Sauerampfer und Kräuter gegessen
haben.
Die
hygienischen Zustände erschwerten den deportierten Frauen
ihre ohnehin kaum erträglichen Lebens- und Arbeitsbedingungen
noch weiter. Wasser zum Waschen und Seife waren sehr knapp;
in manchen Lagern gab es überhaupt keine Waschgelegenheiten.
Anstelle von Aborten benutzte man ausgehobene Gruben oder Erdlöcher
im Freien. Ganz besonders litten die Frauen unter Ungeziefer
(wie Läuse, Flöhe, Wanzen und Ratten), das sie vergeblich
bekämpften. Vielen Frauen wurden die Köpfe geschoren.
Kranke
und Verletzte konnten nur notdürftig versorgt werden. Als
krank galt, wer hohes Fieber hatte. Die Krankenstationen waren,
falls vorhanden, stets überfüllt. Es gab nur wenige
russische Ärzte und Schwestern. Ihre Arbeitsweise wird
von den befragten Frauen unterschiedlich beurteilt. Manchmal
heißt es, sie hätten sich sehr bemüht, aber
nur selten Medikamente zur Verfügung gehabt. Aus einem
Lager wird berichtet, dass alle Frauen im Turnus von drei Monaten
Spritzen bekommen hätten. Wir wussten nicht für
was. Aber keine [von uns] hat mehr ihre Periode bekommen.
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