Vergewaltigungen
Fast
zehn Prozent aller befragten 507 Frauen beantworten die Frage,
ob sie selbst von russischen Soldaten oder Polen vergewaltigt
wurden, mit ja (vgl. Diagramm F 6). Fast die Hälfte von
ihnen sagt, dass sie solche Gewaltakte mehrmals oder sogar viele
Male erlebt haben. So schreibt z.B. eine Frau: Beim Einmarsch
der Russen in die Stadt bin ich zehnmal vergewaltigt worden.
Andere Einträge lauten: Ich konnte es nicht zählen,
sehr oft oder es waren viele. Einige
Zeitzeuginnen waren damals noch Kinder oder sehr junge Mädchen.
Fast
27 Prozent, also mehr als ein Viertel aller 507 befragten Frauen
mussten mit ansehen, wie andere Frauen - einmal oder mehrfach
- Opfer von Vergewaltigungen wurden (vgl. Diagramm F 7). Häufig
waren es engste Angehörige wie die Mutter, Schwestern,
Tanten oder Freundinnen, aber auch andere Flüchtlingsfrauen.
Immer wieder wird berichtet, dass Väter oder Großväter,
die den Frauen zu Hilfe kamen, selbst schwer geschlagen, mitgenommen
oder erschossen worden seien.
Diagramm
F 6:
Befragte Frauen, die
selbst vergewaltigt wurden
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Diagramm
F 7:
Befragte Frauen, die
Vergewaltigungen mitbekommen haben
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Die
aus den Fragebögen ermittelten Fälle mit Aussagen
zu selbst erlittenen oder miterlebten Vergewaltigungen sind
Mindestangaben. Bei derart heiklen Fragen, die von 16 bis 18
Prozent der Befragten weder mit Ja noch mit Nein beantwortet
wurden, ist mit einer Dunkelziffer zu rechnen.
(So fiel z.B. auf, dass diese Frage in einigen Fällen zwar
mit Nein beantwortet wurde, in den beigefügten Erlebnisberichten
jedoch miterlebte und selbst erlittene Vergewaltigungen beschrieben
wurden.)
In
knappen Worten werden die vielen Vergewaltigungen geschildert.
Eine Frau schreibt, dass auf der Flucht 1945 mehrere
Frauen aus unserem Treck herausgeholt und mitgenommen
worden seien. Eine andere: Eine junge Frau musste vom
Fahrrad absteigen und wurde in den Wald gejagt. Manche
Frauen mussten mit ansehen, wie russische Soldaten Flüchtlingsfrauen
herausgriffen und sich zu mehreren an ihnen vergingen oder wie
andere nicht einmal vor Schwangeren oder einer 80jährigen
Greisin Halt machten. Während der Flucht konnten sich die
Frauen nirgendwo sicher fühlen. Mehr als drei
Monate waren wir unterwegs und wurden noch mehrmals vergewaltigt.
Auch
besonders krasse Fälle werden erzählt. Eine Frau schreibt,
dass sie während des Einmarschs der Russen in ihren Heimatort
am 3./4. März 1945 von mindestens 100 Rotarmisten vergewaltigt
worden sei. Eine andere Frau gibt wieder, was Frauen aus der
niederschlesischen Stadt Lauban berichteten:
Meine
Mutter hat Frauen aus Lauban getroffen, der Vater wurde erschossen,
wollte der Tochter helfen. Sie [lag] vergewaltigt im Krankenhaus
in Seidelberg. [
] In Lauban haben die Russen alle Frauen
furchtbar vergewaltigt, auch alle Nonnen im Kloster.
Nicht
wenige Frauen begingen aus Angst vor Vergewaltigung oder weil
sie die Gewalttaten nicht verkrafteten, Selbstmord. Ein Beispiel
für derartige Situationen findet sich im folgenden Bericht:
Auf
der Flucht von Waren/Müritz nach Schwerin die Vergewaltigung
der Frauen und Mädchen. Und das Geschreie der Leute. Unsere
Mutter wollte sich vor großer Angst die Pulsader mit eine[r]
Schere aufschneiden. Unsere älteste Schwester Margot konnte
unsere Mutter davon abhalten.
In
seltenen Fällen fanden die Frauen auch Erbarmen: Eine damals
16jährige Frau erzählt, sie sei verschont worden,
weil ich ihm [dem Soldaten] abgemagert und überaus
ängstlich erschien. Als ich niederkniete und betete, war
er sehr betroffen und entließ mich.
Neben
Rotarmisten werden auch Polen oder Tschechen - Milizen oder
Lagerpersonal - als Täter bezeichnet (vgl. Diagramme
F 6, F
7 oben).
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